Ein Fastnachtsspiel lyrics
 by Johann Wolfgang von Goethe
		
		
                      auch wohl zu tragieren nach Ostern,
                    vom Pater Brey dem falschen Propheten
                                Zu Lehr Nutz und Kurzweil
                    gemeiner Christenheit insonders Frauen
                        und Jungfrauen zum goldnen Spiegel.
Würzkrämer
(in seinem Laden) Junge! hol mir die Schachtel dort droben  Der Teufels Pfaff hat mir alles verschoben.  Mir war mein Laden wohl eingericht  Fehlt' auch darin an Ordnung nicht  Mir war eines jeden Platz bekannt  Die nötigst War stund bei der Hand  Tobak und Kaffee, ohn' den der Tag  Kein Höckerweib mehr leben mag  Da kam ein Teufels Pfäfflein ins Land  Der hat uns Kopf und Sinn verwandt  Sagt wir wären unordentleich  An Sinn und Rumor den Studenten gleich  Könnt unsre Haushaltung nicht bestehen  Müßten alle ärschlings zum Teufel gehen  Wenn wir nicht täten seiner Führung  Uns übergeben und geistlicher Regierung.  Wir waren Burgersleut guter Art  Glaubten dem Kerl auf seinen Bart  Darin er freilich hat nicht viel Haar  Wir waren betört eben ganz und gar  Da kam er denn in den Laden herein,  Sagt: verflucht! das sind mir Schwein  Wie alles durcheinander steht?  Müßt's einrichten nach dem Alphabet.  Da kriegt er mir meinen Kasten Kaffee  Und setzt mir ihn oben auf ins C  Und stellt mir die Tobaksbüchsen weg  Dort hinten ins T. zum Teufelsdreck  Kehrt eben alles drüber und drunter  Ging weg und sprach: so besteh's jetzunder.  Da macht' er sich an meine Frauen  Die auch ein bißchen umzuschauen  Ich bat mir aber die Ehr auf einandermal aus  Und so schafft' ich mir'n aus dem Haus.  Er hat mir's aber auch gedacht  Und mir einen verfluchten Streich gemacht  Sonst hielten wir's mit der Nachbarin  Ein altes Weib von treuem Sinn  Mit der hat er uns auch entzweit  Man sieht sie fast nicht die ganze Zeit  Doch da kommt sie so eben her
Nachbarin kommt
Würzkrämer
Frau Nachbarin, was ist ihr Begehr?
Sibilla
(die Nachbarin)
Hätte gern für zwei Pfenning Schwefel und Zunder
Würzkrämer
Ei sieh, 's ja ein großes Wunder  Daß man nur einmal hat die Ehr
Sibilla
Ei der Herr Nachbar braucht einen nicht sehr
Würzkrämer
Red sie das nicht. Es war ein Zeit  Da wir waren gute Nachbarsleut  Und borgten einander Schüsseln und Besen  Wär' auch alles gut gewesen  Aber vom Pfaffen kommt der Neid  Mißtraun, Verdruß und Zwistigkeit
Sibilla
Redt er mir nichts übern Herrn Pater  Er ist im Haus' als wie der Vater  Hat über meine Tochter viel Gewalt  Zeigt ihr wie sie soll werden klug und alt  Und ist ein Mensch von viel Verstand  Hat auch gesehn schon manches Land
Würzkrämer
Aber bedenkt sie nicht dabei  Wie sehr gefährlich der Pfaff ihr sei?  Was tut er an ihrer Tochter lecken  An fremden verbot'nen Speisen schlecken?  Was würd' Herr Balandrino sagen  Wenn er zurückkäm' in diesen Tagen  Der in Italia zu dieser Frist  Unter'n Dragonern Hauptmann ist  Und ist ihrer Tochter Bräutigam  Nicht blöckt und trottelt wie ein Lamm?
Sibilla
Herr Nachbar er hat ein böses Maul  Er gönnt dem Herrn Pater keinen blinden Gaul.  Mein Tochter, die ist in Büchern belesen  Das ist dem Herrn Pater just sein Wesen  Auch redt sie verständig allermeist  Von ihrem Herzen wie sies heißt.
Würzkrämer
Frau Nachbarin, das ist alles gut  Eure Tochter ist ein junges Blut  Und kennt den Teufel der Männer Ränken  Warum sie sich an die Maidels henken  Die ganze Stadt is voll davon.
Sibilla
Lieber Herr Nachbar, weiß alles schon  Meint er denn aber Herr, beim Blut,  Daß mein Maidel was böses tut?
Würzkrämer
Was böses? davon ist nicht die Red  Es ist nur aber die Frag, wies steht.  Sieht sie, ich muß ihr deutlich sagen  Ich stund ungefähr dieser Tagen  Hinten am Holunderzaun  Da kam mein Pfäfflein und Maidelein traun  Gingen auf und ab spazieren  Täten einander umschlungen führen  Täten mit Äugleins sich begaff ein  Einander in die Ohren raffeln  Als wollten sie eben allsogleich  Miteinander ins Bett oder ins Himmelreich.
Sibilla
Davor habt ihr eben keine Sinnen  Ganz geistilich ist sein Beginnen  Er ist von Fleischbegierden rein  Wie die lieben Herzengelein.  Ich wollt, ihr tätet ihn nur recht kennen  Würdet ihn gern einen Heiligen nennen.
Frau Sibilla die Nachbarin ab
Balandrino
(der Dragoner-Hauptmann tritt auf und spricht) Da bin ich nun durch viele Gefahr  Zurückgekehrt im dritten Jahr  Hab in Italia die Pfaffen gelaust  Und manche Republik gezaust.  Bin nur jetzt von Sorgen getrieben  Wie es drinne steht mit meiner Lieben.  Und ob wie in der Stadt man sagt  Sie sich mit einem Teufels-Pfaffen behagt.  Will doch gleich den Nachbar fragen  War ein redlich Kerl in alten Tagen
Würzkrämer
Herr Hauptmann, seid ihr's? Gott sei Dank  Haben euch halt erwart solang
Hauptmann
Ich bin freilich lang geblieben  Wie habt ihrs denn die Zeit getrieben?
Würzkrämer
So bürgerlich. Eben leidlich dumm.
Hauptmann
Wie stehts in der Nachbarschaft herum ?  Ists wahr –
Würzkrämer
Seid ihr etwa schon vergift?  Da hat einer ein bös Eh gestift.
Hauptmann
Sagt, ists wahr mit dem Pfaffen?
Würzkrämer
Herr ich hab nichts mit dem Mist zu schaffen  Aber soviel kann ich euch sagen  Ihr müßt nit mit Feuer und Schwert drein schlagen.
Müßt erst mit eignen Augen sehn  Wies drinnen tut im Haus' hergehn.  Kommt nur in meine Stube nein  So eben fällt ein Schwank mir ein.  Laßt euchs unangefochten sein  Eure Braut ist ein gutes Ding  Und der Pfaff nur ein Däumerling. (sie gehen ab)
Wird vorgestellt der Frau Sibilla Garten. Treten auf: das Pfäfflein und Leonora, sich an Händen führend.
Pfaff
Wie ist doch heut der Tag so schön!  Gar lieblich ists spazieren zu gehn.
Leonora
Wie schön wird nicht erst sein der Tag  Da mein Balandrino kommen mag?
Pfaff
Wollt euch wohl gönnen die Herzensfreude!  Doch wir sind indes beisammen heute  Und ergötzen unsere Brust  Mit Freundschaft und Gesprächeslust
Leonora
Wie wird euch Balandrino schätzen  An eurem Umgang sich ergötzen  Erkennen euer edel Geblüt  Frei und liebevolles Gemüt.  Und wie ihr wollet allen gut  Niemals zuviel noch zu wenig tut.
Pfaff
O Jungfrau, ich mit Seel und Sinn  Auf immerdar dein eigen bin  Und den du Bräutigam tust nennen  Mög er so deinen Wert erkennen!  O himmlisch glücklich ist der Mann  Der dich die Seine nennen kann, (sie gehn vorüber)
Tritt auf Balandrino der Hauptmann verkleidet in einen  alten Edelmann, mit weißem Bart und Ziegenperücke und der Würzkrämer
Würzkrämer
Hab euch nun gesagt des Pfaffen Geschicht  Wie er alles nach seinem Gehirn einricht  Wie er will Berg und Tal vergleichen  Alles Rauhe mit Gips und Kalk verstreichen  Und endlich malen auf das Weiß  iss Sein Gesicht oder seinen Steiß.
Hauptmann
Wir wollen den Kerl gewaltig kurieren  Und über die Ohren in Dreck nein führen  Geht jetzt ein bißchen nur bei Seit
Würzkrämer
Wenn ihr mich braucht, ich bin nicht weit (geht ab)
Hauptmann
Ho! Holla! ho!
Sibilla
Welch ein Geschrei?
Hauptmann
Treff ich nicht hier den Pater Brey?
Sibilla
Er wird wohl in dem Garten sein  Ich schick ihn Ihnen gleich herein (ab)
Der Pfaff
(tritt auf und spricht) Womit kann ich dem Herren dienen?
Hauptmann
Ich bin so frei, mich zu erkühnen  Den Herrn Pater hier aufzutreiben  Sie müssens Ihrem Ruf zuschreiben.  Ich habe soviel guts vernommen  Von vielen die da und dorther kommen  Wie Sie überall haben genug  Der Menschen Gunst und guten Geruch  Wollt Sie doch eiligst kennen lernen.  Aus Furcht, Sie möchten sich bald entfernen.
Pfaff
Mein lieber Herr, wer sind Sie dann?
Hauptmann
Ich bin ein reicher Edelmann  Habe gar viel Gut und Geld  Die schönsten Dörfer auf der Welt  Aber mir fehlts am rechten Mann  Der all das gubernieren kann.  Es geht, geht alles durcheinander  Wie Mäusedreck und Koriander  Die Nachbarn leben in Zank und Streit  Unter Brüdern ist keine Einigkeit  Die Mägde schlafen bei den Buben  Die Kinder hofieren in die Stuben  Ich fürcht, es kommt der jüngste Tag
Pfaff
Ach da wird alles gut darnach
Hauptmann
Ich hätt's eben noch gern gut vorher  Drum verlanget mich zu wissen sehr  Wie Sie denken, ich sollt's anfangen
Pfaff
Können nicht zu Ihrem Zweck gelangen  Sie müssen denn einen Plan disponieren  Und den mit Festigkeit vollführen.  Da muß alles kalkuliert sein  Da darf kein einzig Geschöpf hinein  Mäus' und Ratten, Flöh und Wanzen  Müssen alle beitragen zum Ganzen.
Hauptmann
Das tun sie jetzt auch, ohne Kunst.
Pfaff
Doch ist das nicht das recht', mit Gunst,  Es geht ein jedes seinen Gang  Doch so ein Reich, das dauert nicht lang.  Muß alles ineinander greifen  Nichts hinüber herüber schweifen  Das gibt alsdenn ein Reich, das hält  Im schönsten Flor bis ans End' der Welt.
Hauptmann
Mein Herr, ich hab hier in der Näh  Ein Völklein da ich gerne säh  Wenn eure Kunst und Wissenschaft  Wollt da beweisen ihre Kraft.  Sie führen ein Sodomitisch Leben  Ich will sie eurer Aufsicht übergeben  Sie reden alle durch die Nasen  Haben Wänste sehr aufgeblasen  Und schnauzen jeden Christen an  Und lauf en davon vor jedermann.
Pfaff
Da ist der Fehler, da sitzt es eben  Sobald die Kerls wie Wilde leben  Und nicht betulich und freundlich sind  Doch das verbessert sich geschwind.  Hab ich doch mit Geistesworten  Auf meinen Reisen aller Orten  Aus rohen ungewaschnen Leuten  Die lebten wie Juden Türken und Heiden  Zusammengebracht eine Gemein  Die lieben wie Maienlämmelein  Sich und die Geistesbrüderlein.
Hauptmann
Wolltet ihr nicht gleich hinaus reiten?  Der Herr Nachbar soll euch begleiten.
Pfaff
Der ist sonst nicht mein guter Freund
Hauptmann
Herr Pater! mehr als ihr es meint.
(sie gehen ab)
Hauptmann
(kommt zurück und spricht:)  Nun muß ich noch ein bißchen sehn  Wie's tut mit Leonoren stehn.  Ich tu sie wohl unschuldig schätzen  Der Pfaff kann nichts als prahlen und schwätzen  Da kommt sie eben recht herein  Jungfrau! sie scheint betrübt zu sein
Leonore
Mir ists im Herzen weh und bange  Mein Bräutigam der bleibt solange.
Hauptmann
Liebt ihr ihn denn allein so sehr?
Leonore
Ohn ihn möcht ich nicht leben mehr
Hauptmann
Der Pater euch ja hofieren tut
Leonore
Ach ja das ist wohl alles gut  Aber gegen meinen Bräutigam  Ist der Herr Pater nur ein Schwamm.
Hauptmann
Ich furcht, es wird ein Hurry geben  Wenn der Hauptmann hört euer Leben.
Leonore
Ach nein, denn ich ihm schwören kann  Denke nicht dran, der Pfaff sei Mann  Und ich dem Hauptmann eigen bin  Von ganzem Herzen und ganzem Sinn
Hauptmann
(wirft Perücke und Bart weg und entdeckt sich) So komme denn an meine Brust  O Liebe, meines Herzens Lust
Leonore
Ists möglich? ach ich glaub es kaum.  Die himmlisch Freuden ist ein Traum
Hauptmann
O Leonor', bist treu genug  Wärst du gewesen auch so klug Leonore Ich bin ganz ohne Schuld und Sünd
Hauptmann
Das weiß ich wohl mein liebes Kind  Die Kerls sind vom Teufel besessen  Schnopern herum an allen Essen  Lecken den Weiblein die Ellenbogen  Stellen sich gar zu wohlerzogen  Nisten sich ein mit Schmeicheln und Lügen  Wie Filzlaus, sind nicht heraus zu kriegen  Aber ich hab ihn prostituiert  Der Nachbar hat ihn hinausgeführt  Wo die Schwein' auf die Weide gehn  Da mag er bekehren und lehren schön.
Nachbar Würzkrämer   kommt lachend außer Atem
Gott grüß euch edles junges Paar!  Der Pfaff ist rasend ganz und gar  Läuft wie wütig hinter mir drein  Ich führt' ihn draußen zu den Schwein'  Sperrt Maul und Augen auf der Matz  Als ich ihm sagt', er wär' am Platz.  Er sah sie redten durch die Nasen  Hätten Bäuche sehr aufgeblasen  Wären unfreundlich grob und lüderlich  Schnauzten und bissen sich unbrüderlich  Lebten ohne Religion und Gott  Und Ordnung wie ein Studentenrott  Möcht sie nun machen all honett  Und die frömmst' nehmen mit zu Bett.
Hauptmann
Tat er darauf wacker rasen?
Würzkrämer
Viel Fluch und Schimpf aus 'em Rachen blasen  Da kommt er ja gelaufen schon.
Pfaff
(außer Atem) Wo hat der Teufel den Cujon?  erschrickt, da er den Hauptmann sieht
Hauptmann
Herr Pfaff! erkennt er nun die Schlingen?  Sollt ihm wohl noch ein Gratias singen.  Doch mag er frei seiner Wege gahn  Nur hör' er noch zwei Wörtgen an.  Er meint, die Welt könnt nicht bestehen  Wenn er nicht tat drauf herumhergehen  Bildt sich ein wunderliche Streich  Von seinem himmlisch geistgen Reich  Meint, er wolle die Welt verbessern  Ihre Glückseligkeit vergrößern  Und lebt ein jedes doch fort an  So übel und so gut es kann.  Er denkt, er trägt die Welt aufm Rücken  Fang' er uns nur einweil die Mücken!  Aber da ist nichts recht und gut  Als was Herr Pater selber tut.  Tat gerne eine Stadt abbrennen  Weil er sie nicht hat bauen können  Findts verflucht, daß ohn' ihn zu fragen  Die Sonne sich auf und ab kann wagen  Doch Herr! damit er uns beweist  Daß ohne ihn die Erde reißt  Zusammen stürzen Berg und Tal  Probier' ers nur und sterb er einmal  Und wenn davon auf der ganzen Welt  Ein Schweinstall nur zusammen fällt  So erklär' ich ihn für einen Propheten  Will ihn mit all meinem Haus' anbeten.
der Pfaff zieht ab
Hauptmann
Und du geliebtes Lorchen mein  Warst gleich einem Wickelkindelein  Das schreit nach Brei und Suppe lang  Des wird der Mutter angst und bang  Ihr Brei ist noch nicht gar und recht  Drum nimmt sie schnell ein Lümpgen schlecht  Und kaut ein Zuckerbrot hinein  Und steckt's dem Kind' ins Mündelein.  Da saugts und zutscht denn um sein Leben  Will ihm aber keine Sättigung geben  Es zieht erst allen Zucker aus  Und speit den Lumpen wieder aus.  So laßt uns denn den Schnacken belachen  Und gleich von Herzen Hochzeit machen.  Ihr Jungfrauen, laßt euch nimmer küssen  Von Pfaffen die sonst nichts wollen noch wissen  Denn wer möcht' einen zu Tische laden  Auf den bloßen Geruch von einem Braten?  Es gehört zu jeglichem Sakrament  Geistlicher Anfang, leiblich Mittel, fleischlich
                                                         END.