Hamlet, 5. Akt, 2. Szene lyrics

by

William Shakespeare


Ein Saal im Schlosse.

HAMLET und HORATIO treten auf.

HAMLET
Hievon genug; nun komm ich auf das andre.
Erinnert Ihr Euch jeden Umstands noch?

HORATIO
Erinnern, gnädiger Herr!

HAMLET
In meiner Brust war eine Art von Kampf,
Der mich nicht schlafen ließ; mich dünkt', ich läge
Noch schlimmer als im Stock die Meutrer. Rasch -
Und dank dem raschen Mute! Laßt uns einsehn,
Daß Unbesonnenheit uns manchmal dient,
Wenn tiefe Pläne scheitern, und das lehr uns,
Daß eine Gottheit unsre Zwecke formt,
Wie wir sie auch entwerfen.

HORATIO
Sehr gewiß.

HAMLET
Aus meinem Schlafgemach,
Den Schiffermantel umgeworfen, tappte
Im Dunkeln ich nach ihnen, fand sie glücklich,
Griff ihr Paket und zog mich schließlich wieder
Zurück in die Kajüte; meine Furcht
Vergaß die Schicklichkeit, und dreist erbrach
Ich ihren höchsten Auftrag. Hier, Horatio,
Fand ich ein königliches Schurkenstück:
Ein streng Geheiß, gespickt mit vielen Gründen,
Betreffend Dänmarks Heil und Englands auch,
Und, heida, solch ein Spuk, wenn ich entkäme,
Daß gleich auf Sicht, ohn alle Zögerung,
Auch nicht so lang, um nur das Beil zu schärfen,
Das Haupt mir abgeschlagen werden sollte.

HORATIO
Ists möglich?

HAMLET
Hier ist der Auftrag; lies ihn nur bei Muße.
Doch willst du hören, wie ich nun verfuhr?

HORATIO
Ja, ich ersuch Euch drum.

HAMLET
So rings umstrickt mit Bübereien, fing,
Eh ich noch den Prolog dazu gehalten,
Mein Kopf das Spiel schon an. Ich setzte mich,
Sann einen Auftrag aus, schrieb ihn ins reine,
Ich hielt es einst wie unsre großen Herrn
Für niedrig, schön zu schreiben, und bemühte
Mich sehr, es zu verlernen; aber jetzt
Tat es mir Ritterdienste. Willst du wissen,
Was meine Schrift enthielt?

HORATIO
Ja, bester Herr.

HAMLET
Die ernstlichste Beschwörung von dem König,
Wofern ihm England treu die Lehnspflicht hielte,
Wofern ihr Bund blühn sollte wie die Palme,
Wofern der Fried in seinem Ährenkranz
Stets beider Freundschaft bindend sollte stehn,
Und manchem wichtigen Wofern der Art,
Wenn er den Inhalt dieser Schrift ersehn,
Möcht er ohn alles fernere Bedenken
Die Überbringer schnell zum Tode fördern,
Selbst ohne Frist zum Beichten.

HORATIO
Und wie versiegelt?

HAMLET
Auch darin war des Himmels Vorsicht wach.
Ich hatt im Beutel meines Vaters Petschaft,
Das dieses dänschen Siegels Muster war.
Ich faltete den Brief dem andern gleich,
Dann unterschrieb ich, drückte drauf das Siegel,
Legt ihn an seinen Ort. Der Wechselbalg
Ward nicht erkannt. Am nächsten Tage nun
War unser Seegefecht, und was dem folgte,
Das weißt du schon.

HORATIO
Und Güldenstern und Rosenkranz gehn drauf.

HAMLET
Ei, Freund, sie buhlten ja um dies Geschäft.
Sie rühren mein Gewissen nicht; ihr Fall
Entspringt aus ihrer eignen Einmischung.
's ist mißlich, wenn die schlechtere Natur
Sich zwischen die entbrannten Degenspitzen
Von mächtigen Gegnern stellt.

HORATIO
Was für ein König!

HAMLET
Was dünkt dir, liegts mir jetzo nah genug?
Der meinen König totschlug, meine Mutter
Zur Hure machte, zwischen die Erwählung
Und meine Hoffnungen sich eingedrängt,
Die Angel warf nach meinem eignen Leben
Mit solcher Hinterlist: ists nicht vollkommen billig,
Mit diesem Arme dem den Lohn zu geben?
Und ist es nicht Verdammnis, diesen Krebs
An unserm Fleisch noch länger nagen lassen?

HORATIO
Ihm muß von England bald gemeldet werden,
Wie dort der Ausgang des Geschäftes ist.

HAMLET
Bald wirds geschehn; die Zwischenzeit ist mein.
Ein Menschenleben ist, als zählt man »eins«.
Doch ich bin sehr bekümmert, Freund Horatio,
Daß mit Laertes ich mich selbst vergaß,
Denn in dem Bilde meiner Sache seh ich
Der seinen Gegenstück. Ich will Versöhnung.
Doch wirklich, seines Schmerzes Prahlerei
Empörte mich zu wilder Leidenschaft.

HORATIO
Still doch! Wer kommt?
Osrick kommt.

OSRICK
Willkommen Eurer Hoheit hier in Dänemark!

HAMLET
Ich dank Euch ergebenst, Herr. - Kennst du diese Mücke?

HORATIO
Nein, bester Herr.

HAMLET
Um so besser ist für dein Heil gesorgt, denn es ist ein Laster, ihn zu kennen. Er besitzt viel und fruchtbares Land; wenn ein Tier Fürst der Tiere ist, so wird seine Krippe neben des Königs Gedeck stehn. Er ist eine Elster, aber, wie ich dir sagte, mit weitläufigen Besitzungen von Kot gesegnet.

OSRICK
Geliebtester Prinz, wenn Eure Hoheit Muße hätte, so wünschte ich Euch etwas von Seiner Majestät mitzuteilen.

HAMLET
Ich will es mit aller Aufmerksamkeit empfangen, Herr. Eure Mütze an ihre Stelle; sie ist für den Kopf.

OSRICK
Ich danke Eurer Hoheit, es ist sehr heiß.

HAMLET
Nein, auf mein Wort, es ist sehr kalt; der Wind ist nördlich.

OSRICK
Es ist ziemlich kalt, in der Tat, mein Prinz.

HAMLET
Aber doch dünkt mich, es ist ungemein schwül und heiß für mein Temperament -

OSRICK
Außerordentlich, gnädiger Herr, es ist sehr schwül - auf gewisse Weise - ich kann nicht sagen wie. Gnädiger Herr, Seine Majestät befahl mir, Euch wissen zu lassen, daß er eine große Wette auf Euren Kopf angestellt hat. Die Sache ist folgende, Herr: -

HAMLET
Ich bitte Euch, vergeßt nicht!
Hamlet nötigt ihn, den Hut aufzusetzen.

OSRICK
Erlaubt mir, wertester Prinz, zu meiner eigenen Bequemlichkeit. Vor kurzem, Herr, ist Laertes hier an den Hof gekommen - auf meine Ehre, ein vollkommner Kavalier, von den vortrefflichsten Auszeichnungen, von einer sehr gefälligen Unterhaltung und glänzendem Äußern. In der Tat, um mit Sinn von ihm zu sprechen, er ist die Musterkarte der feinen Lebensart; denn Ihr werdet in ihm den Inbegriff aller Gaben finden, die ein Kavalier nur wünschen kann zu sehn.

HAMLET
Seine Erörterung, Herr, leidet keinen Verlust in Eurem Munde, ob ich gleich weiß, daß es die Rechenkunst des Gedächtnisses irremachen würde, ein vollständiges Verzeichnis seiner Eigenschaften aufzustellen. Und doch würde es nicht geraden Kurs halten, in Rücksicht seiner behenden Fahrt. Aber im heiligsten Ernste der Lobpreisung, ich halte ihn für einen Geist von großem Umfange und seine innere Begabung so köstlich und selten, daß, um uns wahrhaft über ihn auszudrücken, nur sein Spiegel seinesgleichen ist, und wer sonst seiner Spur nachgehen will, sein Schatten, nichts weiter.

OSRICK
Eure Hoheit spricht ganz untrüglich von ihm.

HAMLET
Der Betreff, Herr? Warum lassen wir den rauhen Atem unsrer Rede über diesen Kavalier gehen?

OSRICK
Prinz?

HORATIO
Ist es nicht möglich, uns in einer andern Sprache zu verständigen? Ihr könnt das gewiß, Herr.

HAMLET
Was bedeutet die Nennung dieses Kavaliers?

OSRICK
Des Laertes?

HORATIO
Sein Beutel ist schon leer; alle seine goldnen Worte sind ausgegeben.

HAMLET
Ja, des nämlichen.

OSRICK
Ich weiß, Ihr seid nicht ununterrichtet -

HAMLET
Ich wollte, Ihr wüßtet es, Herr, ob es mich gleich, bei meiner Ehre, noch nicht sehr empfehlen würde. Nun wohl, Herr!

OSRICK
Ihr seid nicht ununterrichtet, welche Vollkommenheit Laertes besitzt -

HAMLET
Ich darf mich dessen nicht rühmen, um mich nicht mit ihm an Vollkommenheit zu vergleichen; einen andern Mann aus dem Grunde kennen, hieße sich selbst kennen.

OSRICK
Ich meine, Herr, was die Führung der Waffen betrifft; nach der Beimessung, die man ihm erteilt, ist er darin ohnegleichen.

HAMLET
Was ist seine Waffe?

OSRICK
Degen und Stoßklinge.

HAMLET
Das wären dann zweierlei Waffen; doch weiter.

OSRICK
Der König, Herr, hat mit ihm sechs Berberhengste gewettet, wogegen er, wie ich höre, sechs französische Degen samt Zubehör, als Gürtel, Gehenke und so weiter, verpfändet hat. Drei von den Gestellen sind in der Tat dem Auge sehr gefällig, den Gefäßen sehr angemessen, unendlich zierliche Gestelle und von sehr geschmackvoller Erfindung.

HAMLET
Was nennt Ihr die Gestelle?

HORATIO
Ich wußte, Ihr würdet Euch noch an seinen Randglossen erbauen müssen, ehe das Gespräch zu Ende wäre.

OSRICK
Die Gestelle sind die Gehenke.

HAMLET
Der Ausdruck würde schicklicher für die Sache sein, wenn wir eine Kanone an der Seite führen könnten; bis dahin laßt es immer Gehenke bleiben. Aber weiter: sechs Berberhengste gegen sechs französische Degen, ihr Zubehör, und drei geschmackvoll erfundene Gestelle: das ist eine französische Wette gegen eine dänische. Weswegen haben sie dies verpfändet, wie Ihrs nennt?

OSRICK
Der König, Herr, hat gewettet, daß Laertes in zwölf Stößen von beiden Seiten nicht über drei vor Euch voraushaben soll; er hat auf zwölf gegen neun gewettet; und es würde sogleich zum Versuch kommen, wenn Eure Hoheit zu der Erwiderung geneigt wäre.

HAMLET
Wenn ich nun erwidre: nein?

OSRICK
Ich meine, gnädiger Herr, die Stellung Eurer Person zu dem Versuche.

HAMLET
Ich will hier im Saale auf und ab gehen; wenn es Seiner Majestät gefällt: es ist jetzt bei mir die Stunde, frische Luft zu schöpfen. Laßt die Rapiere bringen; hat Laertes Lust und bleibt der König bei seinem Vorsatze, so will ich für ihn gewinnen, wenn ich kann; wo nicht, so werde ich nichts als die Schande und die überzähligen Stöße davontragen.

OSRICK
Soll ich Eure Meinung so erklären?

HAMLET
In diesem Sinne, Herr, mit Ausschmückungen nach Eurem Geschmack.

OSRlCK
Ich empfehle Eurer Hoheit meine Ergebenheit.
[Ab.]

HAMLET
Der Eurige. -
Osrick geht ab.
Er tut wohl daran, sie selbst zu empfehlen; es möchte ihm sonst kein Mund zu Gebote stehn.

HORATIO
Dieser Kiebitz ist mit der halben Eierschale auf dem Kopfe aus dem Nest gelaufen.

HAMLET
Er machte Umstände mit seiner Mutter Brust, ehe er daran sog. Auf diese Art hat er, und viele andere von demselben Schlage, in die das schale Zeitalter verliebt ist, nur den Ton der Mode und den äußerlichen Schein der Unterhaltung erhascht, eine Art von Schaumansammlung, die sie weiterträgt, und zwar durch die tiefsten und gesiebtesten Beurteilungen hindurch; aber man puste sie nur zu näherer Prüfung an, und die Blasen platzen.
Ein Edelmann kommt.

EDELMANN
Gnädiger Herr, Seine Majestät hat sich Euch durch den jungen Osrick empfehlen lassen, der ihm meldet, daß Ihr ihn im Saale erwarten wollt. Er schickt mich, um zu fragen, ob Eure Lust, mit Laertes zu fechten, fortdauert, oder ob Ihr längern Aufschub dazu verlangt.

HAMLET
Ich bleibe meinen Vorsätzen treu, sie richten sich nach des Königs Wunsche. Wenn es ihm gelegen ist, bin ich bereit, jetzt oder zu jeder andern Zeit; vorausgesetzt, daß ich so gut imstande bin wie jetzt.

EDELMANN
Der König, die Königin und alle sind auf dem Wege hierher.

HAMLET
In Gottes Namen.

EDELMANN
Die Königin wünscht, Ihr möchtet den Laertes freundschaftlich anreden, ehe Ihr anfangt zu fechten.

HAMLET
Ihr Rat ist gut.
Der Edelmann ab.

HORATIO
Ihr werdet diese Wette verlieren, mein Prinz.

HAMLET
Ich denke nicht. Seit er nach Frankreich ging, bin ich in beständiger Übung geblieben; ich werde bei der ungleichen Wette gewinnen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie übel es mir hier ums Herz ist. Doch es tut nichts.

HORATIO
Nein, bester Herr -

HAMLET
Es ist nur Torheit; aber es ist eine Art von schlimmer Ahnung, die vielleicht ein Weib ängstigen würde.

HORATIO
Wenn Eurem Gemüt irgend etwas widersteht, so gehorcht ihm; ich will ihrer Ankunft zuvorkommen und sagen, daß Ihr nicht aufgelegt seid.

HAMLET
Nein, ja nicht! Ich trotze allen Vorbedeutungen; es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles. Da kein Mensch besitzt, was er verläßt, was kommts darauf an, frühzeitig zu verlassen? Mags sein!
Der König, die Königin, Laertes, Herren vom Hofe, Osrick und anderes Gefolge mit Rapieren usw.

KÖNIG
Kommt, Hamlet, kommt! Nehmt diese Hand von mir!
Der König legt die Hand des Laertes in die des Hamlet.

HAMLET
Gewährt Verzeihung, Herr! Ich tat Euch unrecht;
Allein verzeiht um Eurer Ehre willen!
Der Kreis hier weiß, Ihr hörtets auch gewiß,
Wie ich mit schwerem Trübsinn bin geplagt.
Was ich getan,
Das die Natur in Euch, die Ehr und Sitte
Hart aufgeregt, erklär ich hier für Wahnsinn.
Wars Hamlet, der Laertes kränkte? Nein!
Wenn Hamlet von sich selbst geschieden ist
Und, weil er nicht er selbst, Laertes kränkt,
Dann tut es Hamlet nicht; Hamlet verleugnets.
Wer tut es denn? Sein Wahnsinn. Ist es so,
So ist er ja auf der gekränkten Seite:
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlets Feind.
Vor diesen Zeugen, Herr,
Laßt mein Verleugnen aller schlimmen Absicht
So weit vor Eurer Großmut frei mich sprechen,
Als ich den Pfeil nur sandte übers Haus
Und meinen Bruder traf.

LAERTES
Mir ist genug geschehn für die Natur,
Die mich in diesem Fall am stärksten sollte
Zur Rache treiben. Doch nach Ehrenrechten
Halt ich mich fein und weiß nichts von Versöhnung,
Bis ältre Meister von geprüfter Ehre
Zum Frieden ihren Rat und Spruch verleihn
Für meines Namens Rettung. Bis dahin
Empfang ich Eure dargebotne Liebe
Als Lieb und will ihr nicht zu nahe tun.

HAMLET
Gern tret ich bei und will mit Zuversicht
Um diese brüderliche Wette fechten. -
Gebt uns Rapiere, kommt!

LAERTES
Kommt, eines mir!

HAMLET
Ich werd zur Zierde Eures Ruhms, Laertes;
Mein Ungeschick läßt Eure Kunst erglänzen
Wie tiefste Nacht die Sterne.

LAERTES
Ihr treibt Spott!

HAMLET
Wahrhaftig nicht!

KÖNIG
Gebt ihnen die Rapiere, junger Osrick. -
Ihr wißt doch, Vetter Hamlet, unsre Wette?

HAMLET
Vollkommen: Eure Hoheit hat den Ausschlag
Des Preises auf die schwächre Hand gelegt.

KÖNIG
Ich fürcht es nicht, ich sah euch beide sonst;
Er lernte zu, drum gibt man uns voraus.

LAERTES
Das ist zu schwer, laßt mich ein andres sehn!

HAMLET
Das steht mir an. Sind alle gleicher Länge?
Sie bereiten sich zum Fechten.

OSRICK
Ja, bester Herr!

KÖNIG
Setzt mir die Flaschen Wein auf diesen Tisch!
Wenn Hamlet trifft zum ersten oder zweiten,
Wenn er beim dritten Tausch den Stoß erwidert,
Laßt das Geschütz von allen Zinnen feuern,
Der König trinkt auf Hamlets Wohlsein dann,
Und eine Perle wirft er in den Kelch,
Mehr wert, als die vier Könige nacheinander
In Dänmarks Krone trugen. Gebt die Kelche!
Laßt die Trompete zu der Pauke sprechen,
Die Pauke zu dem Kanonier hinaus,
Zum Himmel das Geschütz, den Himmel zur Erde!
Jetzt trinkt der König Hamlet zu! - Fangt an,
Und ihr, ihr Richter, habt ein achtsam Auge!

HAMLET
Kommt, Herr!

LAERTES
Wohlan, mein Prinz!
Sie fechten.

HAMLET
Eins!

LAERTES
Nein.

HAMLET
Richterspruch!

OSRICK
Getroffen, offenbar getroffen!

LAERTES
Gut, noch einmal!

KÖNIG
Halt! Wein her! - Hamlet, diese Perl ist dein,
Hier auf dein Wohl!
Trompetenstoß und Kanonenschuß hinter der Szene.
Gebt ihm den Kelch!
[Trompetenstoß und Kanonenschüsse hinter der Szene.]

HAMLET
Ich fecht erst diesen Gang, setzt ihn beiseit! -
Kommt!
Sie fechten.
Wiederum getroffen; was sagt Ihr?

LAERTES
Berührt, berührt! Ich geb es zu.

KÖNIG
Unser Sohn gewinnt.

KÖNIGIN
Er ist in Schweiß und außer Atem. -
Hier Hamlet, nimm mein Tuch, reib dir die Stirn!
Die Königin trinkt auf dein Glück, mein Hamlet.

HAMLET
Gnädige Mutter -

KÖNIG
Gertrud, trink nicht!

KÖNIGIN
Ich will es, mein Gemahl; ich bitt, erlaubt mir.

KÖNIG
beiseit.
Es ist der giftge Kelch! Es ist zu spät!

HAMLET
Ich darf jetzt noch nicht trinken, gnädge Frau;
Sogleich.

KÖNIGIN
Komm, laß mich dein Gesicht abtrocknen.

LAERTES
Mein Fürst, jetzt treff ich ihn.

KÖNIG
Ich glaub es nicht.

LAERTES
beiseit.
Und doch, beinah ists gegen mein Gewissen.

HAMLET
Laertes, kommt zum Dritten nun! Ihr tändelt;
Ich bitt Euch, stoßt mit Eurer ganzen Kraft!
Ich fürchte, daß Ihr mich zum besten habt.

LAERTES
Meint Ihr? Wohlan!
Sie fechten.

OSRICK
Auf beiden Seiten nichts.

LAERTES
Jetzt seht Euch vor!
Laertes verwundet den Hamlet, drauf wechseln sie in der Hitze des Gefechts die Rapiere, und Hamlet verwundet den Laertes.

KÖNIG
Trennt sie, sie sind erhitzt!

HAMLET
Nein, noch einmal!
Die Königin sinkt um.

OSRICK
Seht nach der Königin!

HORATIO
Sie bluten beiderseits. - Wie stehts, mein Prinz?

OSRICK
Wie stehts, Laertes?

LAERTES
Gefangen in der eignen Schlinge, Osrick!
Mich fällt gerechterweise mein Verrat.

HAMLET
Was ist der Königin?

KÖNIG
Sie fällt in Ohnmacht, weil sie bluten sieht.

KÖNIGIN
Nein, nein! Der Trank, der Trank! - O lieber Hamlet!
Der Trank, der Trank! - Ich bin vergiftet.
Sie stirbt.

HAMLET
O Büberei! - Ha! Laßt die Türen schließen!
Verrat! Sucht, wo er steckt!
Laertes fällt.

LAERTES
Hier, Hamlet! Hamlet, du bist umgebracht;
Kein Mittel in der Welt errettet dich,
In dir ist keine halbe Stunde Leben.
Des Frevels Werkzeug ist in deiner Hand,
Unabgestumpft, vergiftet; meine Arglist
Hat sich auf mich gewendet: sieh, hier lieg ich,
Nie aufzustehn - vergiftet deine Mutter -
Ich kann nicht mehr - des Königs Schuld, des Königs!

HAMLET
Die Spitze auch vergiftet?
So tu denn, Gift, dein Werk.
Er ersticht den König.

OSRICK und Herren vom Hofe.
Verrat! Verrat!

KÖNIG
Noch helft mir, Freunde! Ich bin nur verwundet.

HAMLET
Hier, mördrischer, blutschändrischer, verruchter Däne!
Trink diesen Trank aus! - Ist die Perle hier?
Folg meiner Mutter!
Der König stirbt.

LAERTES
Ihm geschieht sein Recht;
Es ist ein Gift von seiner Hand gemischt.
Laß uns Vergebung wechseln, edler Hamlet!
Mein Tod und meines Vaters komm nicht über dich,
Noch deiner über mich!
Er stirbt.

HAMLET
Der Himmel mache
Dich frei davon! Ich folge dir. - Horatio,
Ich sterbe. - Arme Königin, fahr wohl! -
Ihr, die erblaßt und bebt bei diesem Fall
Und seid nur stumme Hörer dieser Handlung,
Hätt ich nur Zeit - der grause Scherge Tod
Verhaftet schleunig -, o ich könnt euch sagen!
Doch sei es drum. - Horatio, ich bin hin;
Du lebst: erkläre mich und meine Sache
Den Unbefriedigten.

HORATIO
Nein, glaub das nicht.
Ich bin ein alter Römer, nicht ein Däne:
Hier ist noch Trank zurück.

HAMLET
Wo du ein Mann bist,
Gib mir den Kelch! Beim Himmel, laß! Ich will ihn!
O Gott! - Welch ein verletzter Name, Freund,
Bleibt alles so verhüllt, wird nach mir leben!
Wenn du mich je in deinem Herzen trugst,
Verbanne noch dich von der Seligkeit
Und atm in dieser herben Welt mit Müh,
Um mein Geschick zu melden. -
Marsch in der Ferne, Schüsse hinter der Szene.
Welch kriegerischer Lärm?

OSRICK
Der junge Fortinbras, der siegreich eben
Zurück aus Polen kehrt, gibt den Gesandten
Von England diesen kriegerischen Gruß.

HAMLET
O ich sterbe, Horatio!
Das starke Gift bewältigt meinen Geist;
Ich kann von England nicht die Zeitung hören,
Doch prophezei ich: Die Erwählung fällt
Auf Fortinbras; er hat mein sterbend Wort!
Das sagt ihm, samt den Fügungen des Zufalls,
Die es dahin gebracht. - Der Rest ist Schweigen.
Er stirbt.

HORATIO
Da bricht ein edles Herz. - Gute Nacht, mein Fürst!
Und Engelscharen singen dich zur Ruh! -
Weswegen naht die Trommel?
Marsch hinter der Szene. Fortinbras, die englischen Gesandten und andre kommen.

FORTINBRAS
Wo ist dies Schauspiel?

HORATIO
Was ists, das Ihr zu sehn begehrt? Wenn irgend
Weh oder Wunder, laßt vom Suchen ab!

FORTINBRAS
Dies grausige Bild schreit Mord. - O stolzer Tod,
Welch Fest geht vor in deiner ewgen Zelle,
Daß du auf einen Schlag so viele Fürsten
So blutig trafst?

ERSTER GESANDTER
Der Anblick ist entsetzlich.
Und das Geschäft von England kommt zu spät.
Taub sind die Ohren, die Gehör uns sollten
Verleihen, sein Befehl sei ausgeführt
Und Rosenkranz und Güldenstern sei'n tot.
Wo wird uns Dank?

HORATIO
Aus seinem Munde nicht,
Hätt er dazu die Lebensregung auch;
Er gab zu ihrem Tode nie Befehl.
Doch weil so schnell nach diesem blutgen Schlage
Ihr von dem Zug nach Polen, ihr aus England
Hiehergekommen seid, so ordnet an,
Daß diese Leichen hoch auf einer Bühne
Vor aller Augen werden ausgestellt,
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt Ihr hören
Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt,
Und Plänen, die verfehlt zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden.

FORTINBRAS
Eilen wir zu hören,
Und ruft die Edelsten zu der Versammlung.
Was mich betrifft, mein Glück umfang ich trauernd;
Ich habe alte Recht' an dieses Reich,
Die anzusprechen mich mein Vorteil heißt.

HORATIO
Auch hievon werd ich Grund zu reden haben,
Und zwar aus dessen Mund, des Stimme mehre
Wird nach sich ziehen. Aber laßt uns dies
Sogleich verrichten, da noch die Gemüter
Der Menschen wild sind, daß kein Unheil mehr
Aus Ränken und Verwirrung mög entstehen.

FORTINBRAS
Laßt vier Hauptleute Hamlet auf die Bühne
Gleich einem Krieger tragen; denn er hätte,
Wär er hinaufgelangt, unfehlbar sich
Höchst königlich bewährt! Und bei dem Zug
Laßt Feldmusik und alle Kriegsgebräuche
Laut für ihn sprechen!
Nehmt auf die Leichen! - Was wir sehen dort,
Dem Schlachtfeld ziemend, schändet diesen Ort.
Geht, heißt die Truppen feuern!
Ein Totenmarsch. Sie gehen ab, indem sie die Leichen wegtragen; hierauf wird eine Artilleriesalve abgefeuert.

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